Das „Fest der Liebe“ feiern wir alle anders – und mancher auch nicht. Und deshalb haben wir ein buntes Weihnachts-Potpourri zusammengestellt, in dem sich bestimmt für jeden etwas findet. Frohes Fest!
Von Chefredakteurin Jessica Bunjes
Alle Jahre wieder
Schon lange glaubt keiner mehr in diesem Haus an einen Mann namens Santa Klaus. Und doch stellen wir ihm immer noch Kekse und Milch zur Stärkung hinaus und machen jedes Jahr das Beste daraus.
Denn wir halten sie fest, diese besondere Zeit, mit der ihr eigenen Heiterkeit. Hängen Socken an den Kamin und senden Picture Postcards an Tim und Shaun und Colin. Wir schicken Post in jeden Teil unserer kleinen großen Welt, den ein großes Stück Vertrauen seit geraumer Zeit zusammen hält. Denn wir, die hier im Norden sind geblieben zurück, wünschen uns für unsere Lieben woanders nicht nur an Weihnachten viel Glück. Und für uns selbst wünschen wir, wären sie doch alle hier.
Stattdessen klagen wir heimlich in fröhlich jingelnden Liedern, um mit ihnen in Gedanken ganz weit weg zu tigern. Wir singen Christmas Songs über Freud und über Leid, und wissen längst über beides Bescheid. Wir hören Musik in Rock und in Roll, und fühlen sie in Dur und in Moll. Packen Päckchen und Pakete für Emma und John, backen Kekse und Kuchen für Dad und für Mom. Nur den Ginger Man rolle ich ganz allein jedes Jahr für Ben in seine Kuscheldecke ein.
Wir versenden das Eine aus dem einen und bekommen das Andere aus dem anderen Land. Halten beides vermeintlich fest und doch nie all unsere Lieben zusammen an der Hand. Wir feiern mit den Einen am Abend und für die Anderen am Morgen, und wenn Väterchen Frost zum Fest all seine Kräfte walten lässt, wenn er Kristallblüten ans Fenster hängt und sich der Zuckerwatte-Schnee in Wimpern fängt, gibt es bei uns eine, die schmerzlich an die Sonne denkt. An Barbecue mit Santa Schenk-Mir-Nochmal-Zu mit Kim und Andy und der alten Oma Lu, an Weihnachten mit Sonnenbrand und Zuckerstangen aus klebrigen Händen voller Sand.
Doch an diesem Fest vereinen wir uns selig hier im Winterbier. Wir mischen fröhlich Länder, Sprachen und Kulturen und finden immerhin in Gedanken noch unsere Spuren. Oft denke ich in dieser Zeit voll Hoffnung und Glückseligkeit, voller Lichterglanz und Weihnachtstanz an all die Menschen in der Welt, deren Familien nur noch die Hoffnung zusammen hält. An all jene, die Teil sind eines Lebens, in dem sie so viel suchen und fürchten, es ist vergebens. An jene, deren anderer Teil woanders ist geblieben oder besser ganz verschwiegen. An all die Menschen, die vermissen und nicht mehr viel über ihre Lieben wissen, die entbehren und in der Seele nur noch von Erinnerung zehren, die in dieser schönen hektischen, besinnlichen Zeit des adventlichen Denkens und fröhlichen Beschenkens sorgenvoll an eine Zukunft denken.
Heute lächele ich zum Fest das Liebste in meinem Leben an, wissend, dass es für jeden von uns jederzeit auch anders kommen kann. Lerne aus der Erinnerung an dunkle Feste in prächtigen Zimmern voller unwissender Gäste, mit versteckten Momenten auf hinteren Bänken, den Blick immer wieder in leuchtende Leere schwenkend, das taube Ohr an stummen Liedern, in Wahrheit blind für all das bunte Gefieder. Auf der stummen Suche nach einem Leben mit denen, die für einen roten Berg namens Uluru alles geben.
Und so zünde ich spätestens zu Weihnachten dann die ein um andere Kerze an. Backe Kekse für Santa K., denn der war immer für uns da. Santa Klaus, an den von uns keiner mehr glaubt, doch der unserer streitenden Welt dennoch für einige Stunden den Schrecken raubt. Der mit seinen Rentieren fährt und den Wünschen aller Menschen niemals den Rücken kehrt. Der in den Geschichten der Kinder keine Sprache spricht und fast niemals jemanden vergisst. Der keine Barrieren kennt, sondern allerorts Liebe bringt und Freude schenkt.
Und wir legen alle Jahre wieder drei Haselnüsse im Garten nieder. Und wenn wir drei Wünsche bekämen, dann wären das Liebe, Freude und Frieden in den Herzen für jeden. Zumindest für diesen weihnachtlichen Moment, der noch den Traum vom Fest der Liebe kennt.
Von der backenden und brutzelnden Redakteurin Ulrike Volkmann
Weihnachten mit Omi Hilde
Ich liebe Weihnachten. Und ich liebe gutes Essen. Diese beiden Dinge gehören für mich einfach zusammen. Deshalb gibt es nichts Schöneres, als an den Feiertagen mit der Familie um den Tisch zu sitzen und all die leckeren Dinge zu schlemmen. Auch wenn ich dafür einige Zeit in der Küche verbracht habe. Das macht mir nichts aus, denn dann geht erstens die Zeit bis zur Bescherung schneller rum und zweitens verbinde ich mit dem Kochen und Backen meine schönsten Kindheitserinnerungen. Beides habe ich von meinen Omas gelernt, die mich schon als ganz kleine Deern mit in die Küche genommen und in die „Familiengeheimnisse“ eingeweiht haben. Während Oma Herta eher fürs Backen zuständig war, ließ mich meine Omi Hilde aus Ost-Westfalen schon gern mal an die großen Töpfe. Quasi in einer Gaststube groß geworden, war die Küche ihr Revier, in der sie virtuos werkelte. Auf einem hohen Stuhl immer an ihrer Seite, den Löffel im Anschlag: ich. Kaum groß genug, um in den Bräter zu gucken, wusste ich schon mit sieben Jahren, wie die Rindsroulade butterweich, die grünen Bohnen knackig, Rotkohl schön sämig und eine braune Soße richtig lecker werden. Unter ihren wachsamen Augen lernte ich zu braten, würzen und blanchieren. Bei Omi kam nichts aus der Dose, da war alles frisch vom Markt oder aus dem eigenen Garten. Weihnachten werde ich es Omi Hilde gleichtun und selbst den Kochlöffel schwingen, während sie jetzt von oben einen wachsamen Blick auf ihren kleinen Lehrling von damals wirft … Fröhliche Weihnachten!
Omi Hildes Küchengeheimnisse
Statt die Rouladen ganz klassisch mit Speck und Gurke zu füllen, hat sie feinstes Zwiebelmett eingerollt. Natürlich nicht, ohne vorher die Rouladen mit Senf zu bestreichen. Dem guten. Schön scharf!
An den Rotkohl hat meine Omi immer noch einen großen Löffel Johannisbeermarmelade zugegeben. Das gibt dem Rotkohl einen leicht fruchtigen Geschmack. Und wer es ein bisschen weihnachtlicher haben möchte, der darf auch gern ein wenig Zimt dran geben.
Vom dichtenden Redakteur Florian Schönberger
Die Freuden des Vaterseins
Hach, war dieser einzigartige Moment ein Segen,
meine Frau war beim Test kurz vorm Durchdrehen,
musste sich dann vor großer Schockstarre auf die Fliesen legen,
war doch im Kontrollfenster ein dicker, fetter Streifen zu sehen.
Männlich sagte ich: „Steh’ jetzt auf Frau. Mein Erbe friert.“
Die Stimmung lockerte sich, ein erstes Lächeln brach sich Bahn.
„Es kann noch schlimmer kommen, vielleicht sind wir ja auch bald zu viert.
Selbst dann werden wir das Kind schon schaukeln – unseren ungewissen Kahn.“
Dann kam der Tag, an dem die Familie das Glück erfuhr.
Opa brüllte schluchzend: „Dass ich das noch erleben darf!“
Die Väter stießen ganz cool mit einem Bier an – noch vor 12 Uhr.
Die Mütter hingen sich unisono in den Armen – mal ganz brav.
So ging die Zeit ins Land, der Bauch wurde immer runder,
ich stieg aus Solidarität in diesen Wettstreit der Superplauzen mit ein.
Der Überschuss an Hormonen sorgte für Stimmungswunder,
es gab nur himmelhoch jauchzend und miesepetrig sein.
Dann kündigte sich die Ankunft der kleinen Erdnuss an.
Hielt es nicht mehr im Leib aus, wollte endlich die Welt sehen.
Zog meine Frau und mich mit wachen stahlblauen Augen in den Bann.
Konnte aber das drumherum und die vielen Menschen noch nicht verstehen.
Die ersten Tage zu Hause waren bestimmt von Glück und Unsicherheit.
Auf einmal war da noch jemand, der bedurfte alle Aufmerksamkeit und Schutz.
Die Momente waren vorbei der Selbstbestimmtheit und der Freiheit.
Im Akkord wurde gewickelt und gestillt, während sie von den Wänden schrie den Putz.
Wir sind jetzt sieben Monate später noch längst nicht eingespielt,
doch selbst am Rande der Erschöpfung denken wir nicht ans Aufgeben.
Ob ein Pups, der schmerzhaft quer sitzt oder mit Adlerauge Urin in mein Haar gezielt,
wir lieben unser Kind, zeigt es uns doch, was wirklich wichtig ist im Leben.
Von unserer ostfriesischen Redakteurin Anneke Taute
Der Duft der Heimat
Für die einen beginnt die Weihnachtszeit, wenn das erste Türchen am Adventskalender geöffnet werden darf. Für andere, sobald „Last Christmas“ im Radio ertönt. Und für manche sogar schon, wenn im Supermarkt die ersten Lebkuchen und Spekulatius zu finden sind – also Anfang September. Alles schön und gut, aber die Ostfriesin in mir braucht einen ganz bestimmten Duft, um in Weihnachtsstimmung zu kommen. Ach ja, und das Gefühl von verbrannten Fingerkuppen, aber dazu später.
Anis und Kardamom sind die bestimmenden Gewürze in Neujahrskuchen, die in meiner plattdeutschen Heimat traditionell zum Jahreswechsel und auch gerne schon in der Adventszeit gebacken werden. Die dünnen, knusprigen Waffelröllchen – original „Neeijahrskooken“ genannt – schmecken am besten, wenn sie frisch gerollt vom heißen Waffeleisen kommen, lassen sich aber auch gut auf Vorrat backen. Rezepte gibt es viele und variieren je nach überliefernder Oma. Einig sind sie sich aber darin, dass zum Süßen bitte kein normaler Zucker verwendet wird, sondern Kandis. Der ist in jedem guten ostfriesischen Haushalt ohnehin vorrätig, denn mit dem „Kluntje“ wird ja auch der Ostfriesentee verfeinert.
Man nehme also:
500 Gramm Kandis, aufgelöst in 1 Liter heißem Wasser, verrührt das Ganze, sobald es abgekühlt ist, mit 500 Gramm Mehl, 2 Eiern und 250 Gramm geschmolzener Butter und würzt den Teig dann mit 30 Gramm ganzen Aniskörnern und 15 Gramm gemahlenem Kardamom – nach Belieben auch mit einem Hauch Zimt und Vanille. Dann
mindestens zwei Stunden oder über Nacht ruhen lassen.
Goldbraun gebacken werden die Neujahrskuchen anschließend im speziellen Waffeleisen, das im Handel oft als „Hörnchenautomat“ angeboten wird. Dann muss es schnell gehen: Solange sie noch heiß ist, muss die Waffel gerollt werden. Hier kommt es dann gern zu verbrannten Fingerkuppen. Aber die Mühe lohnt sich. Die Teigmenge ergibt einen reichen Vorrat von ungefähr 100 Neujahrskuchen. Und die schmecken am besten zu – natürlich – einer Tasse Ostfriesentee.
Die stellvertretende Chefredakteurin Miriam Knodel ist
Für mehr Besinnlichkeit und noch mehr Socken
Ich liebe die Weihnachtszeit. Aber nichts fällt mir schwerer, als sie so richtig zu genießen. Kaum sind die letzten Familien-Geburtstage im November gefeiert, google ich bereits nach Plätzchenrezepten, fühle ich bei meinen Eltern und meinem Partner vor, was sie sich vom Weihnachtsmann wünschen. Ich fange so früh an, weil ich jedes Jahr aufs Neue hoffe, alles zu entschleunigen. Um den Punsch auf dem Weihnachtsmarkt, die Feier mit den Kollegen und die Suche nach dem passenden Geschenk für die Lieben in vollen Zügen genießen zu können.
Und jedes Jahr kommt es anders. Beim Plätzchenbacken bin ich nach kurzer Zeit genervt, weil das Teigausstechen einfach kein Ende nimmt. Die Weihnachtsfeier geht im Alltagstrott fast unter und trotz frühzeitiger Wunschzettelabfrage, suche ich bis zuletzt nach den passenden Geschenken, allesamt natürlich mit Begeisterungsgarantie. Ich bin so angestrengt dabei, alles „abzuarbeiten“, dass ich das Beste verpasse: die Besinnlichkeit.
In diesem Jahr habe ich deshalb folgendes beschlossen: Plätzchen vom Bäcker schmecken auch sehr gut. Im Zweifelsfall sogar besser als meine. Geschenke sind zwar gut und schön, aber geht es nicht um so viel mehr? Weihnachten ist schließlich ein außergewöhnliches Ereignis, das Familienmitglieder, die sonst über das Land oder den Globus verstreut leben, zusammenführt. Es ist ein Fest, das uns endlich einmal viel Zeit für die Dinge lässt, die wir gerne machen möchten. Noch dazu im Kreise der Lieben. Und das ist doch gerade heute in unserer schnelllebigen Welt ein wertvolleres Geschenk als so manches gekaufte Präsent. In diesem Sinne: Freuen wir uns auf Kerzenduft, gutes Festtagsessen und vor allem ein paar schöne Stunden im Kreise der Kollegen und Lieben. Ganz gleich, ob das zehnte Paar Socken an Heiligabend für gelangweilte Blicke sorgt. Einfach die Zeit so nehmen, wie sie kommt. Denn das ist doch schließlich das größte Geschenk.
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