Die nackige Mousse au Chocolat
von Jessica Bunjes
Es gibt eine typische Sorte Frau. Und die kocht. Weil sie sinnlich ist. Darum. Kochen ist sinnlich. Passt. Der moderne Mann von heute will das inzwischen natürlich auch. Ist aber nur dann sexy, wenn er nicht in der Küche den Löffel schwingen will, um endlich mal irgendwo den Ton anzugeben, weil er sonst aus dem letzten Loch pfeift. Lassen wir ihn also ran an den Topf. Da kann er seinen rauchgeschwängerten Fantasien so lange nachhängen, bis der Reis anbrennt und am Ende doch wieder alles zu scharf ist. „ … Puh, ich brauch’ dringend Wasser,“ hab ich jedenfalls aus mindestens zwei guten Gründen schon häufiger gehört als: „… Yeah, mach dich nackig hier vor der Mousse au Chocolat.“ In Wahrheit regieren wir Frauen auch hier. Am, vor, und wenn’s sein muss auf dem Herd. Also lassen wir unseren Gute-Zeiten-Gourmet gern im Gewürz-Glauben garen. Schließlich gelingt zumeist, was wer auch immer zugleich mit Leidenschaft und Logik verfolgt. Das ist das Gesetz der Küche: egal ob allein, oder – besser – zu zweit, oder – die Kür – zu mehreren – da muss man echt den Überblick behalten. Da gibt’s beim Kochen klare Regeln. Das ist fast das Beste daran: Erst das, dann das, und am Ende jenes. Sonst? Totale Überraschung. Großartig. Dieser Moment, wenn die zerhackten Zwiebeln unbeobachtet in der Pfanne verbrennen, während das Koriander-Gemüse in der Kokosmilch bis weit über bissfest gart, das Steak double-done und die Crème de Cacao zu flüssig wird, weil die Köchin mit dem Tischwein erst auf den Aushilfs-Koch, dann auf die Tischplatte trifft. Dafür ist Frau nie zu jung und Mann nie zu alt. Im Laufe meiner Küchen-Karriere habe ich jedenfalls das Dessert direkt nach dem Aperitif zu schätzen gelernt, und selbst wenn ich Steak am liebsten auf den Punkt mag, bin ich bei der Wahl der Zutaten neugierig. Ich mag mein Essen frisch und heiß und selbst gemacht, nix aus der Tüte und schon gar nicht aufgewärmt. Die wechselnde Wahl der genialsten Gewürze ist mein sonderbarstes Salz in der Sonntags-Suppe, sorgfältig selektiert im Bann der Vorfreu- de, die mindestens so gut ist, wie der Vollzug. Darum geht’s doch eigentlich immer, dass der Anfang so viel Spaß macht wie das Dazwischen und das Danach. Guten Appetit!
Der gastrosexuelle Mann
von Florian Schönberger
Es gibt eine neue Sorte Mann. Und die denkt fast immer nur an das eine: Kochen. Na ja, soweit würde ich persönlich nun nicht gehen, klingt doch ein wenig bemitleidenswert. Aber es stimmt schon: Kochen macht geil. So, jetzt ist es raus. Für uns Männer hat der Umgang mit rohem Fleisch, scharfen Gewürzen und Ferrari-roten Küchenmaschinen etwas Aphrodisierendes. Wenn das Steak brauner wird als die Freundin nach dem Solarium, sich ohne Widerworte umdrehen lässt und saftiger ist, als … Ok, ok, ich höre schon auf. Fakt ist, dass das Kochen alle Sinne so sehr stimuliert, wie es nur die Geliebte kann: die Haptik beim Durchkneten eines unartigen Brotteigs, das angenehme Brennen auf der Zunge und den Lippen beim Abschmecken pikanter Gerichte, das laszive Brutzeln der Hühnerbrust in der gut eingeölten Pfanne, das vernebelnde wie Ekstase verbreitende Aroma einreduzierenden Absinths und das elektrisierende Gefühl beim Anblick von glänzender Bratensauce, die sich über die rosa Mitte eines prallen Hüftsteaks ergießt. Food Porn? Kann ich! Aber nicht nur in der Theorie. Kann es etwas Schöneres geben, als ein Drei-Komponenten-Essen geschmacklich wie von der Konsistenz perfekt auf den Punkt fertig zu bekommen? Dieser innere Triumph, das zu essen, was man auch selbst zubereitet hat. Das ist das Äquivalent zum Sex nach einem wunderschönen, ersten Date. Man wird belohnt für das souveräne, situative Handling, cool Bleiben in heiklen Situationen und für das Abpassen des richtigen Zeitpunkts. Natürlich kann ich auch die Fertigpizza in den Ofen schieben und mir den Geschmacksstandard gönnen. Ist auch mal schön. Geht schnell, befriedigt ebenso. Nicht immer ist der Moment günstig für aufwendiges Kochen. Mal randaliert die Kleine, mal ist der innere Schweinehund größer als der Berg an schmutzigem Geschirr, der sich neben der Spüle türmt. Doch wenn die Motivation wieder da ist, es in der Küche vor Hitze dampft, die Dunstabzugshaube vor Erschöpfung schwitzt und ich mich vor lauter Gaumensex dem Kochen hingebe, denke ich nur an das eine: Hoffentlich schmeckt es meinem Schatz!